Ein Schülerprojekt in den Ötztaler Alpen unter der Leitung von Dr. André Baumeister, welches u.a. von der DAV Sektion Hamburg unterstützt wird. Das Verständnis für die gravierende Bedeutung des Klimawandels ist – spätestens mit der Fridays-for-Future-Bewegung – in allen Altersklassen der deutschen Gesellschaft angekommen. Gerade Jugendliche erfassen zunehmend die Auswirkungen des Klimawandels für das eigene Leben und engagieren sich zum Thema Klimaschutz. Dabei bleibt die Schule als sozialer Interaktionsort jedoch meist außen vor, was sich nicht zuletzt auf das träge Bildungssystem zurückführen lässt. Dass es auch anders ginge, zeigen beispielsweise neuere Entwicklungen in Italien, wo im November beschlossen wurde, ein neues Unterrichtsfach namens Klimawandel und nachhaltige Entwicklung einzuführen. Während andere Länder folglich möchten, dass sich ihre Schülerinnen und Schüler differenzierte Kompetenzen zum Thema Klimawandel aneignen, wird in Teilen Deutschlands das Stundendeputat des Faches Geographie weiter gekürzt, ungeachtet dessen, dass das Schulfach am besten dazu geeignet ist, die Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels im lokalen und globalen Zusammenhang zu sehen. Unser Bildungssystem schöpft das Potenzial nicht aus, den (Um-)Gestaltungswillen der eigenen Schülerinnen und Schüler zu bündeln und zu fördern.
Daher setzen immer mehr Schulen auf externe Projekte, die die Jugendlichen auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam machen und sie für ein nachhaltiges Handeln sensibilisieren. „Wir werden Klimaforscher“ des Bochumer Wissenschaftlers Dr. André Baumeister ist solch ein Projekt. André Baumeister rief dieses im Jahr 2018 ins Leben und ermöglicht interessierten Oberstufenschülern/innen die Teilnahme an einer wissenschaftlichen Exkursion in die Alpen. Die Jugendlichen erhalten hier die Chance, die Folgen des Klimawandels für den Naturraum eigenständig zu erforschen, indem sie Gletscher in den Ötztaler Alpen vermessen und die Ergebnisse in Bezug zu historischen Daten setzen. Die Alpen als „Fieberthermometer Europas“ zeigen dabei anschaulich die Auswirkungen des Klimawandels – auch vor der eigenen Haustür.
Seit der Gründung des Projekts haben bereits die Matthias-Claudius-Schule aus Bochum sowie das Jan-Joest-Gymnasium Kalkar teilgenommen und auch für 2020 gibt es bereits Anmeldungen. Den eigenen Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, sich mit dem Klimawandel vor der eigenen Haustür zu beschäftigen, wird für Schulleitungen zunehmend attraktiver und kommt bei den Jugendlichen gut an. „Zu sehen, in welchem Maße und mit welcher Geschwindigkeit die Gletscher schmelzen, war für die gesamte Gruppe ein Schock“, erinnert sich Gracie, Abiturientin der Matthias-Claudius-Schule, „gleichzeitig haben wir dadurch aber gelernt, welche Folgen unser Handeln hat und was wir tun können, um die Natur zu erhalten.“
„Wir werden Klimaforscher“ findet in den südlichen Ötztaler Alpen zwischen dem Gurgler- und dem Rofental statt und richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Qualifikationsphase I. Die TeilnehmerInnen werden vor der Praxisphase mithilfe von Vorträgen auf das Thema eingestimmt und erarbeiten die Grundlagen des Klimawandels in den Alpen. Zudem lernen sie Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens der Geographie im Feld kennen. Die nun anstehende Exkursion in die Alpen ist das Herzstück des Projekts. Mithilfe von GPS-Geräten nehmen die Schülerinnen und Schüler eigenständig Vermessungen am Gletscher vor und dokumentieren ihre Ergebnisse. Dies erfordert präzise Arbeitsweisen und Teamwork, um aus den Rohdaten möglichst genaue Erkenntnisse ableiten zu können. Nach der Arbeit im Feld folgen die nicht weniger wichtigen Diskussions- und Reflexionsphasen, die in einer entspannten Atmosphäre in Hütten des Deutschen Alpenvereins stattfinden. Hierfür kehrt die Gruppe auch immer wieder im Ramolhaus ein, deren Standort und Aussicht den Schülern besonders eindrücklich in Erinnerung bleibt. Die Jugendlichen werten ihre Daten aus und vergleichen diese mit den Messungen früherer Schulgruppen sowie den Erhebungen „echter“ Wissenschaftler. Sie erfassen das Ausmaß des Gletscherrückgangs in den Alpen und ziehen Rückschlüsse auf die Folgen des Klimawandels für Deutschland, Nordrhein-Westfalen und die eigene Nachbarschaft. Die Arbeit im Feld und die anschließende Nachbereitung zeigt den Schülerinnen und Schülern die Arbeitswelt des Geographen und macht sie selbst zu Klimaforschern. Zudem fördert die Exkursion die Fähigkeit, im Team zu arbeiten, und neue Freundschaften zu schließen.
Nicht zu unterschätzen ist die Reaktion ihrer MitschülerInnen zuhause. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion berichten der Schule von ihren Messungen und Erkenntnissen. Sie fördern auf diese Weise die Kommunikation über den Klimawandel und entwerfen in anschließenden Projekten Lösungsansätze, die auf ein nachhaltiges Handeln abzielen. Auf diese Weise sind sie nicht nur Experten in ihrem Themengebiet, sondern können als Klimabotschafter bezeichnet werden. Die Jugendlichen sensibilisieren ihre Umwelt für ein klimafreundlicheres Leben und nutzen dazu digitale und analoge Kanäle. So ist die Umsetzung eines Thementags oder die Einrichtung eines passenden Instagram-Accounts denkbar, um möglichst viele MitschülerInnen zu erreichen.
Kontaktaufnahme über: andre.baumeister@rub.de
Den Bericht des WDR über das Projekt findet ihr hier.